In diesem Wochen und Monaten jährt sich das Ende des 2. Weltkrieges zum 70 igsten mal. In der Gevenicher Orts- und Schulchronik sind die Ereignisse der letzten Kriegsmonate 1944/45 und die Zeit nach der Kapitulation 1945 hier im Dorf in einer der längsten Abhandlungen die in der Chronik zu finden ist, von Lehrerin Frau Bartoszek festgehalten.

Sie schrieb unter anderem, dass am 6. März 1945 die Front dem Ort schon so nahe gerückt war, dass man erstmals Panzerkanonen aus Richtung Ulmen/Daun hören konnte.

Den gesamten Text aus der Chronik finden Sie unter >>weiterlesen<<.

1944

............ Ende August erhielten alle Männer im Alter von 14-60 Jahren die Aufforderung sich zum Schanzen an der Grenze bereitzustellen. Die Front rückt ja immer näher. Die im Ort beschäftigten Ostarbeiter und eine Anzahl Jungen und Männer des Dorfes wurden Ende September und Anfang Oktober zur Schanzarbeit am Westwall bestellt. Im September trafen um 100 Trierer Flüchtlinge ein, die von den einzelnen Familien aufgenommen wurden. Eine Anzahl verließ das Dorf wieder, als das Dorf durch die nahe gelegenen Abschußstellen der V1 (Vergeltungswaffe) in der Nähe stattfindenden Luftkämpfe in Gefahr geriet.

Am Kirmessonntag, den 5 November, erfolgte ein Jagdbomberangriff auf Gevenich. Die Dorfbevölkerung war gerade mit ihren Familien und dem spärlich erschienenen Kirmesbesuch zum Nachmittagskaffee versammelt. Durch Tieffliegergeschosse wurden das Wohnhaus des Landwirtes Matthias Ulmen, Stall und Scheune der Witwe Anna Schneider und die Scheune des Landwirtes Peter Schneiders getroffen und brannten nieder. Die genannten Familien verloren den gesamten Ertrag ihrer Getreideernte. Familie Ulmen-Keßeler außerdem eine Teil ihres Hausrates. Verletzt wurde niemand. In der Nacht vom 6. Zum 7. November herrschte wieder reger feindlicher Flugbetrieb. Über dem Chaßberg  (aus Richtung Koblenz) leuchtete der Himmel die ganze Nacht in schauerlicher Glut. Wir vermuteten einen größeren Moselort in Flammen, bis wir erfuhren, daß der Feuerschein von dem unheimlichen Brand herrührte, den die Stadt Koblenz in jener Nacht heimsuchte. Dieser schwere Brandbombenangriff zerstörte die gesamte Innenstadt.

Auf Anordnung der Regierung Koblenz erfolgte Ende September in den luftgefährdeten Gebieten die Schließung der Schulen. Unsere Schule wurde damals auch vorübergehend geschlossen, zeitweise auch, weil die Schulsäle mit Soldaten belegt waren. Später wurde Behelfsunterricht gehalten. Nur kleine Gruppen wurden unterrichtet. Bei Luftgefahr konnten sie schnell nach Hause geschickt werden.
Zeitweise bleibt das Wasser in der Wasserleitung aus, stunden- ja sogar tagelang.
Infolge der vielen Fliegerangriffe und Beschüsse durch Flieger wird die elektrische Lichtleitung häufig zerstört. Die Bevölkerung sitzt oft ohne Licht. Kerzen und Petroleum sind knapp. Viele Leute stellen sich Behelfsleuchten aus den Zünderbüchsen der V1 her. Als Brennstoff dient Benzin von der V1.

Am 23. Dezember erfolgte die letzte regelmäßige Postzustellung. Bahn- und Postverbindungen sind durch die Fliegerangriffe so zerstört, daß Postsendungen oft wochenlang unterwegs sind, ehe sie ihr Ziel erreichen. Viel Post geht auch verloren.

1945

Laut Anordnung des Reichsverteidigungsministers ruht ab 3. Februar jeglicher Unterrichtsbetrieb in Schulen.

Die Front rückt immer näher. Zurückziehende Truppen beziehen im Dorf Quartier. Bei Luftgefahr und vor allem durch das Näherrücken der Front fühlen sich die Dorfbewohner nicht mehr sicher in ihren Kellern. Sie graben sich in abgelegenen Talhängen Stollen oder bauen sich einen anderen Unterschlupf. Hier wollen sie sich und das Nötigste bergen, falls die Heimat Kampfgebiet werden sollte. Niemand will die Heimat verlassen.

Im Februar sollten die Schulkinder in weniger gefährdete Gebiete verschickt werden. Die Gegend von Bayreuth war für uns vorgesehen. Die Nachricht traf verspätet ein. Begreiflicherweise waren aber auch keine Eltern bereit sich von ihren Kindern zu trennen.

Wasser und Licht fehlen wieder häufig im Dorf. Postsendungen und Zeitungen kommen selten. Rundfunknachrichten können durch das häufige Ausbleiben des elektrischen Stromes auch nur gelegentlich gehört werden. Anfang März bleiben Strom und Wasser ganz aus. Der Bor, der im Frühjahr immer reichlich Wasser liefert, versorgt das Dorf mit Trink- und Waschwasser.

Die Front rückt immer näher. Am 6. März hört man vormittags in Richtung Ulmen-Daun Panzer schießen. Kriegsgefangene und deutsche Soldaten fluten auf den Straßen und Wegen zurück. Soldaten erzählen an diesem Tage, der Amerikaner hätte in den Morgenstunden Daun besetzt.

Tag und Nacht hörte man in diesen Tagen starkes Panzerfeuer, auch das Rollen der amerikanischen Panzer auf der Autobahn bei Ulmen.

In diesen Tagen näherten sich auch Panzerspähwagen auf größere Entfernung unserem Dorfe. Daraufhin verließen in der Nacht die letzten deutschen Soldaten den Ort. Die Bevölkerung atmete auf und hoffte auf eine friedliche Besetzung des Dorfes. Am 11. März kamen amerikanische motorisierte Spähtrupps ins Dorf. Am folgenden Tage rückten dann die ersten amerikanischen Kampftruppen ein. Sie beschlagnahmten alle an der Dorfstraße gelegenen Häuser. Auch die Schule musste geräumt werden. Nur die allernotwendigsten Dinge durften die Leute mitnehmen. Die Räumungsfrist betrug etwa eine Viertelstunde. Diese Truppen blieben einige Tage und wurden dann von nachrückenden Einheiten abgelöst.

Sperrstunden wurden festgesetzt. Die Bevölkerung durfte sich nur von 8 Uhr bis 17:30 Uhr draußen bewegen. Später wurde die Ausgangszeit etwas verlängert. In diesen Tagen setzt selten schönes und warmes Frühlingswetter ein. Die Bauern konnten mit ihrer Feld- und Gartenarbeit beginnen. Die Baum- und Strauchblüte setzte in diesem Jahr etwa 14 Tage früher ein als sonst. Ende April war die Wasserleitung wieder betriebsfähig. Auch an der Lichtleitung wird eifrig gearbeitet.

Die Ausgehzeit ist inzwischen auf die Zeit von 6 bis 21 Uhr ausgedehnt worden. Amerikanische Militärpolizisten überwachen das Einhalten der Ausgehzeit. Die Bevölkerung erhält Passierscheine. Ohne diese darf man die Ortsgrenze nicht überschreiten. Die Benutzung von Fahrrädern ist verboten.

Während der Zeit, in der der elektrische Strom ausblieb, ruhte der gesamte Molkereibetrieb. Die Bauern verarbeiteten ihre Milch selbst. In dieser Zeit gab es wochenlang keine Lebensmittelkarten. Das war eine böse Zeit für die Normalverbraucher, vor allem für die etwa 100 Trierer Flüchtlinge. Vielen Haushalten ging in jenen Tagen das Salz aus. Viele Bauern tauschten Salz gegen Fett ein.

Haussuchungen nach Wehrmachtsgut finden statt. Eine Kommission ermittelt  durch Hofbegehungen die Bestände an Getreide und Vieh.

Auf den Landstraßen ziehen die Rückwanderer wieder heimwärts. Ihre wenigen Habseligkeiten fahren sie auf alten Wagen oder selbstgebauten Karren.

Am Abend des 1. Mai kommt nach etwa zweimonatiger Unterbrechung wieder elektrischer Strom. Wir haben wieder Licht und können wieder Rundfunknachrichten hören. Am 8. Mai  meldet der Rundfunk, daß das deutsche Heer bedingungslos kapituliert hat.

Der Krieg ist nun zu Ende.

Ende Mai hat die Molkerei ihren Betrieb wieder aufgenommen. Die Bauern müssen ihre Milchtrommeln nun wieder abliefern.

Amerikanische Soldaten registrieren die Einwohner der einzelnen Orte. Jeder Einwohner erhält einen Registrierungsschein, ohne den niemand ausgehen darf.

Am Fronleichnamstag fand die Prozession wieder in althergebrachter Weise statt. Inzwischen ist auch die Verdunklung weggefallen. Abends bietet sich ein ganz ungewohntes Bild. Wie lange war kein Ort mit hellerleuchteten Fenstern mehr zu sehen!

Bald kehren zur größten Freude ihrer Angehörigen die ersten deutschen Soldaten heim.

Die Ausgehzeit ist auf 5 bis 21:30 Uhr festgesetzt.

Am 10. Juli verlassen die Amerikaner unser Gebiet und übergeben es an die Franzosen.

Die Getreideernte beginnt in diesem Jahr früh. Leider hat ein schwerer Hagelschlag im Mai den größten Teil des Brotgetreides vernichtet. Hinzukommende größere Ablieferungsforderungen an Brotgetreide, die das Dorf erfüllten mußte, bewirkten eine große Brotknappheit im Dorf, unter der besonders die Normalverbraucher sehr zu leiden hatten.

Im August wurden wieder Vorbereitungen für die Aufnahme des Schulbetriebes getroffen. Im September 1945 fand in der Volksschule in Cochem eine Tagung aller im Dienst belassenen Lehrpersonen statt. Der neuen Schulrat Dr. Uhle leitete die Tagung. Als Gäste waren der Schuloffizier der französischen Militärregierung und Herr Regierungsschulrat Jansen aus Koblenz anwesend. Es wurden neue Richtlinien gegeben für die Schularbeit, die am 1. Oktober wieder beginnen sollte. In allen Fächern, ausgenommen Geschichte, wird Unterricht erteilt. Da der Lehrer von Weiler noch nicht heimgekehrt ist, soll die Lehrerin von Gevenich an 2 Tagen der Woche in Weiler Unterricht erteilen.

Ab September 1945 ist der Postverkehr in beschränktem Umfange möglich. Nur Postkarten können geschrieben werden, Briefmarken gibt es noch nicht.

Am 1. Oktober beginnt der Unterricht. ? Knaben und ? Mädchen nehmen daran teil. In Gevenich findet vorläufig nur an 4 Wochentagen Unterricht statt. Nach der etwa einjährigen Pause gestaltet sich die Unterrichtsführung zunächst recht schwierig. Die Kinder sind in ihrer Haltung recht verwahrlost, und es fehlen die Unterrichtsbücher. Es kostet sehr viel Arbeit und Mühe, die Kinder wieder zu geordneter Arbeit zu erziehen. Manche Eltern arbeiten offensichtlich gegen die Schule. Das Verhalten ihrer Kinder in der Schule beweist dies. In der ersten Dezemberwoche wurde in Cochem eine Schulungswoche für alle Lehrer des Kreises Cochem gehalten. Diese diente der Umschulung der Lehrer. Mehrere auswärtige Redner hielten Vorträge über gegenwartsnahe  Erziehungsfragen. Zu erwähnen ist noch, daß jeden Mittag allen Lehrern ein gutes und reichliches Mittagessen ohne Marken verabreicht wurde.

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