Als Adolf Ley vor 100 Jahren die Pfarrei Gevenich-Weiler anvertraut wurde, sprach nichts dafür, dass damit ein lebenslanges Abenteuer begann. Zu ungleich waren Pastor und Gemeinde. Dem jungen Priester waren nach ersten Erfahrungen in der kleinen Eifelgemeinde größere Aufgaben zugemessen. Persönlich war er streng diszipliniert und organisierte sein Leben bis ins Detail. Logisches Denken und rationales Umsetzen seiner Ziele sollten sein Wirken bestimmen. Die Umstände wollten es anders. Keine Aufgabe schreckte ihn, forsch und zupackend meisterte er den Alltag, ohne sich je selbst zu schonen. Von missionarischem Eifer getrieben packte er an. Was er tat, geschah aus Überzeugung. Ohne Scheu vor Rang und Namen, vor staatlichen Größen und Würden vertrat er seine Meinung wie die Sorgen und Nöte seiner Bauern, respektlos bis provozierend lästig  ...

Pfarrer Ley Pfarrer Ley
beide Fotos von Pfarrer Ley im Gemeindearchiv
Handschriftliche Bemerkung von Pastor Ley über einen arroganten Bürokraten
Handschriftliche Bemerkung von Pastor Ley über einen arroganten Bürokraten

Auf der anderen Seite seine Eifelgemeinde Gevenich-Weiler. Klein und arm war der Ort, in dem wie überall die Größe des Misthaufens über Rang und Ansehen entschied. Mehr rückwärts gewandt war die Bevölkerung eng an ihre Felder gebunden, die kaum gedüngt, oft nur handtuchgroß waren und die meist zahlreiche Familie nur mühsam nährten. Die Schulchronik von Gevenich erwähnt mehr Missernten und Elend als reichen Ertrag, und bis in die 30er Jahre bescheinigen alle schulärztlichen Untersuchungen eine dramatische Unterernährung der Kinder, beklagen die Lehrer körperliche Schäden wegen einseitiger Ernährung und viel zu hoher Beanspruchung bei der Feldarbeit (“junge Pferde werden geschont ..., aber für die Jugend erforderliche Maßnahmen werden keine ausgeführt; denn es könnte ja Geld kosten”, Lehrer Löcherbach). Den Eltern bescheinigen die Lehrer mangelhaftes Interesse für die Schulbildung ihrer Kinder, die sie lieber vom Unterricht befreien lassen.

Unwissenheit, Misstrauen, aber auch Uneinsichtigkeit waren weit verbreitet. Als Pastor Ley 1927 sein silbernes Priesterjubiläum feierte, notierte Lehrer Löcherbach abschließend “der Tag zeigte deutlich, dass das Volk noch treu an seinem Pfarrer hängt, und dass der Jubilar in den 20 Jahren seiner hiesigen Tätigkeit sich die Achtung und Verehrung der Pfarrangehörigen erworben hat.

Wie war es zu diesem außerordentlichen Zusammenhalt gekommen?

Pastor Ley lebte nicht nur in Gevenich, er teilte das Leben der Bewohner, hungerte und schränkte sich selbst ein, wenn eine Missernte das Brot knapp und teuer werden ließ. Er begleitete die Bevölkerung durch 2 Weltkriege, durch Inflation und Teuerung. Gegenüber jeder Obrigkeit war er immer auf der Seite der Gevenicher oder Weilerer Bauern, ergriff Partei für die, die sich selbst nicht wehren konnten, die Opfer waren. Er schrieb Hunderte von Freistellungsgesuchen im 1. Weltkrieg, um  Wehrpflichtige über die Ernte hinaus daheim zu halten, bescheinigte “Unabkömmlichkeit” selbst dann, wenn er Missbrauch erkannte. Immer wieder tröstete er beim Abschied, begleitete einrückende Soldaten, die zum 1. Mal die Eifel verlassen mussten, persönlich zur Bahn, verband zusammen mit cand. med. Welling die Verwundeten in Cochem, organisierte wöchentlich Lebensmittelfahrten an die Bahn und empörte sich mit den opferfreudigen Pfarrangehörigen über die hochnäsigen Cochemer, die über die hilfsbereiten kleinen Bauern die Nase rümpften.
Als in den ersten Kriegswochen 1914 die Furcht vor Spionen und Saboteuren um sich griff, war auch Gevenich gehalten, 2 Wachen aufzustellen. Ausgerüstet mit einem alten Revolver und einem Säbel, den sein Vater im Krieg 1870/71 einem französischen Offizier abgenommen hatte, übernahm er oft persönlich die Wache, damit die eingeteilten jungen Männer bei der Ernte helfen konnten. Er war bei den Familien, die ihre Söhne im Krieg verloren und unterstützte 40 Jahre lang die, die sich helfen ließen. Hilfe zur Selbsthilfe leistete er dort, wo sein Anstoß aufgegriffen und weiter geführt wurde. Seine Geschenke für die ärmeren Erstkommunionkinder waren bekannt, und in einigen Familien werden noch heute Rosenkränze aufbewahrt, die er verschenkte. Begabte Kinder unterrichtete er persönlich als Vorbereitung für die weiterführende Schule wie die Söhne von Lehrer Stein aus Weiler. Einquartierung und Besetzung ertrug er wie alle.

Pastor Ley mit Familienangehörigen und seiner Schwester Gertrud (sitzend), die ihm als Haushälterin zur Seite stand und neben ihm begraben ist.
Pastor Ley mit Familienangehörigen und seiner Schwester Gertrud (sitzend), die ihm als Haushälterin zur Seite stand und neben ihm begraben ist.

Fotos von Werner Theobald

Die Gevenicher taten sich immer schwer, Neuerungen anzunehmen. Er ging voran und versuchte, unterstützt von den jeweiligen Lehrern, zu überzeugen. “Sie schimpften, blockierten, folgten dann aber doch und wollten das Erreichte nicht mehr preisgeben, schimpften aber - innerlich dankbar - trotzdem weiter.” Als geachteter Zentrumspolitiker setzte er sich auf Kreis- und Regierungsebene für die Stromversorgung 1924, den Bau der Wasserleitung 1927 und die Pflasterung der Dorfstraße 1927 erfolgreich ein.
Eine Sternstunde für den engagierten Zentrumspolitiker war die erste demokratische Wahl zur Nationalversammlung am 19.1.1919. “So wurden denn alle herbei geschleppt, die alten und kranken Leute von Weiler kamen mit Wagen. Es war rührend zu sehen ...” 98% gingen zur Wahl, 360 Stimmen wurden abgegeben, 1 Stimme war ungültig, 359 wählten Zentrum.
Trotzdem war nicht alles eitel Sonnenschein. Ärger gab es immer wieder mit einzelnen Pfarrangehörigen, vor allem aber mit der Jugend. Herr Ley fühlte sich im Einvernehmen mit vielen Eltern in besonderer Weise als Hüter von Zucht und Moral. Tanzveranstaltungen waren für ihn mögliche Stätten der Unmoral. Viele Beobachtungen vor dem Backhaus, dem damaligen Tanzsaal, konnte er vom Pfarrhaus aus machen. An preußische Ordnung gewöhnt, zeigte er immer wieder einen Dickschädel, der bei der Jugend nicht immer vorteilhaft ankam.
Trotzdem, Gevenich war sein Dorf, seine Leute brauchten ihn und standen zu ihm, 40 Jahre lang. “Als er dann seinen bevorstehenden Tod herannahen spürte, ließ er sich rasieren und waschen, weil er mit Haltung, aufrecht, wie er es ein Leben lang war, dem Tode entgegen sehen wollte.” (Zit. F. J. Hammes,, a.a. O., S. 238)

Sein erfülltes Leben endete am 10. August 1947, vor genau 60 Jahren. Der Ort hat ihm viel zu verdanken, eine Straße erinnert an einen außergewöhnlichen Menschen, sein Ehrengrab lädt zu einem kurzen Gedenken ein.
Sein erfülltes Leben endete am 10. August 1947, vor genau 60 Jahren. Der Ort hat ihm viel zu verdanken, eine Straße erinnert an einen außergewöhnlichen Menschen, sein Ehrengrab lädt zu einem kurzen Gedenken ein.

Wertvolle Informationsquellen waren die Gevenicher Pfarr- und Schulchronik, Hinweise von Hedwig Hammes und Gertrud Schmitz wie auch der warmherzige Artikel von Franz Josef Hammes, Zum Gedenken an Adolf Ley ..., Jahrbuch des Kreises Cochem- Zell 1998, S. 236-238.
Pastor Ley als Seelsorger und Politiker verdient eine gesonderte Betrachtung.

Demnächst auf Spurensuche in Gevenich: Die Mausfalle - aus dem harten Alltag vor 100 Jahren.

Mausefalle