Der Bauer gab der Magd 15 Silbergroschen für ein Kamotchen, also die Hälfte von dem, was die Magd an Bargeld pro Monat für harte Arbeit erhielt. Viel Geld für ein Kamotchen oder Kamotgen.

Kein Lexikon, kein Internet klärt uns auf, und doch ist es untrennbar mit der Eifel, genauer mit dem Landstrich zwischen Maifeld und Bitburg verbunden. Sein Verschwinden bedeutete auch einen Verlust an Individualität und Eifeler Eigenart.

Für die (ganz) alten Gevenicher Frauen um 1950 war ein Kamotchen noch mehr als ein bloßer Begriff. Allein das Wort weckte gute persönliche Erinnerungen an alte, längst vergangene Tage vor 1900, Erinnerungen an die eigene Jugend, die sich mit den Beschwerden des Alters zunehmend verklärte. Es war die Erinnerung an die Jahre, als sie selbst ein Kamotchen als Teil der Sonntags- und Feiertagskleidung tragen durften.

Es gehörte zur Tracht. Eine Eifeltracht, die für die ganze Region verbindlich war, gab es nicht. Nur  Ahrtal, Maifeld und die Südeifel um Bitburg waren für eigene Trachten bekannt. Und Gevenich?

Als Grenzland war die Eifel in sämtliche Kriege mit den westlichen Nachbarn einbezogen, wurde als Aufmarschgebiet sehr geschätzt und gerade deshalb in seiner Entwicklung kaum gefördert. Opfer war die Eifel immer und sah sich in den zahlreichen Besatzungszeiten auch immer wieder fremden Einflüssen ausgesetzt. Kein Wunder, dass in napoleonischer Zeit nach 1800 und danach der Dreispitz als Hut bei den Männern für längere Zeit üblich wurde.

Für die Kleidung allgemein aber galt zeitlich unbegrenzt und überall selbst gewonnen - selbst gesponnen - selbst gemacht, ist die beste Bauerntracht. Die Kleidung wurde nach Bedarf und den eigenen Möglichkeiten selbst hergestellt. Die Wolle der Hausschafe wurde auf dem Spinnrad und den wenigen Webstühlen im Dorf verarbeitet, das Leder für die Schuhe aus eigenen, in Treis gegerbten Tierfellen beim Dorfschuster angemessen. Nur in den Randbereichen der Hocheifel etwa kam fremdes Tuch ins Land. In Gevenich und der Vordereifel blieb man bodenständig. Wichtig war die Eignung der Stoffe für das heimische, raue Klima. In einer Zeit, als man noch keine Regenschirme kannte, musste die Kleidung warm und gegen Regen und Schnee wetterfest, sommers wie winters strapazierfähig sein. Kleidungsstücke wurden weiter vererbt, bei Bedarf umgearbeitet und sollten, so die allgemeine Meinung, 3 Generationen aushalten. Schnell wechselnde Mode und modischer Firlefanz, wie er in den größeren Städten anzutreffen war, blieben verpönt und wurden als grobe Entgleisung allgemein abgelehnt. Einflüsse von außen wurden, wenn überhaupt, mit erheblicher Zeitverschiebung und dann nur als Details in Altbewährtem aufgenommen.

Der Stoff, der alle diese Eigenschaften hatte, war, wie in den Auszügen aus den Gevenicher Hausbüchern wiederholt erwähnt, der Tirtig/Tirtey, ein beliebter Allwetterstoff, der, aus Wolle und grobem Leinen gewebt, unverwüstlich war und wenn möglich auf dem eigenen Webstuhl hergestellt wurde. Aus den naturfarbig bunten, grünen, braunen, rötlich oder gelb gehaltenen Streifen wurden für die Frauen sowohl Unterröcke als auch Oberbekleidung hergestellt. (Diese Tradition wird noch anschaulich im “Maartuch” in Schalkenmehren weiter geführt).

In Gevenich trugen die Bauersfrauen im 19.  bis weit ins 20. Jahrhundert hinein dunkle, knöchellange Röcke mit vorgebundener Arbeitsschürze und werktags eine mit einem langen “Schloop” unter dem Kinn zusammengebundene weiße Leinenhaube. Die bescheidenen Verhältnisse erlaubten keinen großen Aufwand.

 Jewenijer Fraue béim Héi maache in Jenähre un am Planzjoate am Bräde Wääch, imma woa dat wéiss Koppdooch dabéi, im Ähr jenausu bee béim Kielsätze  

Jewenijer Fraue béim Héi maache in Jenähre un am Planzjoate am Bräde Wääch, imma woa dat wéiss Koppdooch dabéi, im Ähr jenausu bee béim Kielsätze

Bis nach dem 2. Weltkrieg war bei der Feldarbeit ein weißes Leinenkopftuch üblich. Am Sonntag und bei besonderen Gelegenheiten trugen Frauen um Brust und Schulter ein großes Tuch, das bei Trauer schwarz mit buntem Rand war. Das Tuch, dessen Spitze auf den Rücken fiel, wurde über der Brust gekreuzt und seine Enden in die Schürze gesteckt, wie auf beigefügtem Foto dargestellt ist.

Ein Brusttuch
Ein Brusttuch
Das Brusttuch in praktischer Anwendung. Foto aus Wrede, Eifeler Volkskunde, S. 145
Das Brusttuch in praktischer Anwendung. Foto aus Wrede, Eifeler Volkskunde, S. 1

Und das Kamotche? Das Kamotche war ein besonders auffallendes Teil auch der Gevenicher Tracht. Als Mädchen war man mit Kleid und Schürze bekleidet. Wenn man mit 14/15 Jahren zur  ersten Kommunion gegangen war, wurden auch die Kleider anders. Gleichzeitig änderte sich die Haartracht. Bis jetzt hatten die Mädchen Zöpfe getragen, nach der Erstkommunion wurden die Haare aufgesteckt und meist in Zöpfen um den Kopf gelegt. Junge Frauen trugen zu den Feiertagen farbenprächtige Häubchen, die mit Stolz und Würde getragen und über Generationen in Ehren gehalten wurden, ein Blickfang im Alltagsgrau.

Vor einigen Jahrzehnten fand sich in einer alten Kiste sorgsam in Seidenpapier gepackt dieses Gevenicher Kamotchen aus dem 19.  Jahrhundert, das auf dem vorderen Rand und der Hinterkopfseite in reicher, farbenprächtiger Perlstickerei auf weißem, gestepptem Leinen gearbeitet ist. Die zugehörigen Nackenborten aus hellblauer Seide sind noch vorhanden. Deutliche Gebrauchsspuren zeigen, dass es über mehrere Generationen junge Frauen an den Festtagen zierte. Ein einmaliges Stück Gevenicher Tradition, vielleicht/hoffentlich nicht das einzige.

 


Das Gevenicher Kamotchen

Hilfsmittel:
Handschriftliche Aufzeichnungen aus Gevenich
Volkskunst im Rheinland, Ausstellungskatalog, Düsseldorf 1968
Adam Wrede, Eifeler Volkskunde, Frankfurt 1983

Altersbedingte Unterschiede in der Kleidung; etwa für Möhnen, waren auch in Gevenich selbstverständlich, eine Besonderheit der Voreifel, die wegen ihrer Tradition und Einbettung in das soziale Gefüge des Dorfes deutschlandweit einmalig war, verdient besondere Erwähnung: das Ohrmützchen mit dem Tugendpfeil. Darüber und was die Männer so trugen demnächst mehr.