WegkreuzWegkreuzDSGG ist der stumme Hilferuf, der sich in Stein gemeißelt seit Jahrhunderten von schlichten Grabsteinen auf den Kirchhöfen der Eifel- und Moselgemeinden erhebt, um Gottes Erbarmen und unsere Fürsprache zu erflehen.

Ein letztes dieser kleinen Kreuzzeichen aus Eifelbasalt ist uns geblieben. Niemand weiß, wann es vom alten Kirchhof mitten im Ort als Mahn- und Wegmal mitten in die Flur am Schadenweg kam, der seit Urzeiten als Moselweg von Alflen an den Ellerbach und an die Mosel führte. Es war ein bewusst gewählter Standort, der alle die, die hier vorbei kamen, an die eigene Vergänglichkeit und die bleibende Verpflichtung gegenüber denen erinnern sollte, die einst unter uns lebten. Stehen nicht alle unsere Kreuze und Feldmale an Straßen und Wegkreuzungen wie  Franzen Heiligenhäuschen am höchsten Punkt des alten Moselweges, die Holzkreuze, die Wilhelm Müller auf Kniebrech, auf der Gasse nach Büchel zu und an der Straße nach Weiler errichtete, seit den 50er Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft zum Josefskapellchen, das die Schwester von Pastor Caspers, Frau Thouet, stiftete, weil ihr Mann wie durch ein Wunder der Hölle von Stalingrad entkam? Vielleicht ist es ein Zufall, dass die meisten auch an Kriegszeiten erinnern. 1632 ruft uns den 30jährigen Krieg in Erinnerung, der seit 1618 auch in der Eifel Spuren hinterließ, 1813 (auf dem Sandsteinkreuz auf dem Hunstang) weist auf die Befreiungskriege gegen Napoleon hin, und die Holzkreuze von Wilhelm Müller erinnern an die unseligen Jahre des 2. Weltkriegs wie das Kreuz am Ortsausgang auf der Gasse, Kyrie eleison, Herr erbarme dich, 1940.

Die Bittformel DSGG auf unserem ältesten Kreuz erinnert an einen plötzlichen Tod, so dass die “Sterbesakramente” nicht mehr gegeben werden konnten, und mahnt die Lebenden in besonderer Weise, für die Seelenruhe des unerwartet Verstorbenen zu beten. Und so war es noch Mitte des vorigen Jahrhunderts durchaus üblich, beim Passieren eines Wegkreuzes die Kappe zu ziehen und ein kurzes Stoßgebet zu verrichten, ein Brauch, der nicht nur der Schnelllebigkeit unserer Zeit zum Opfer fiel. Man fühlte sich den “Armen (= hilfsbedürftigen) Seelen” verpflichtet, die, so hatte es jeder seit Kindertagen von Großeltern und Eltern gelernt, auf unsere Hilfe angewiesen waren, wie wir es einmal sein würden.
1632 erinnert an den plötzlichen Tod von Maria Fursterin. Die plötzlich Verstorbene, so lässt sich aus dem Grabstein ablesen, war ledig und arbeitete in der Landwirtschaft. Die anschauliche, grafische Darstellung mit Rechen und gekreuzter Hausmarke erlauben diesen Hinweis. (Die auf der Zeichnung aus dem Bistumsarchiv wiedergegebene Zeichnung ist unkorrekt.)
Die konkreten Vorstellungen der Armen Seelen im Fegefeuer waren ganz allgemein geprägt durch die offizielle Lehre und vor allem durch volkstümliche wie simplifizierende, drastische Darstellungen gepeinigter Menschenseelen inmitten eines Flammenmeeres, aus der sie vorzeitig nur durch göttliche Gnade oder die Fürbitte Lebender befreit werden konnten.


Typische Darstellung des Fegefeuers aus dem 19. Jh.


Über 500 Seiten Gebete und Fürbitten zum “Trost der Armen Seelen”

Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis
 

Die Lehre von Fegfeuer und den Armen Seelen trifft sich in den Schriften fast aller Kirchenväter, etwa bei Augustinus “in dieser vorübergehenden Zeit wird man nicht von schweren, sondern von geringen Sünden gereinigt. Ein jeder bemühe sich nach Kräften ..., die lässlichen (Sünden) durch gute Werke abzubüßen, damit von letzteren nichts übrig bleibe, was von diesem Feuer verzehrt werden muss.”

Nach päpstlichem Dekret von 1858 konnte man stellvertretend den Armen Seelen einen Ablass zuwenden, das bedeutet(e): in den ersten christlichen Jahrhunderten hatte man die sog. öffentliche Buße. Für bestimmte Sünden musste man öffentlich Buße tun, es kam z.B. vor, dass jemand zur Buße für seine Sünden 40 Tage lang dem Gottesdienst im Innern der Kirche nicht beiwohnen durfte, sondern am Eingang der Kirche stehen und die Kirchenbesuchter um ihre Gebete bitten musste. Oder es musste jemand zur Buße eine Wallfahrt antreten, die ein halbes Jahr dauern konnte.  Wer bei einem Ablass dieses oder jenes Gebet verrichtete, dem wurden so viele Sündenstrafen nachgelassen, als er nach dem alten kirchlichen Bußrecht abzubüßen hätte. So ist es zu verstehen, wenn man etwa unter dem Ablassgebet liest, Ablass von 40 Tagen. Es ist damit nicht gemeint, dass man 40 Tage lang weniger im Fegfeuer leiden müsse, sondern wer einen solchen Ablass gewinnt, dem werden so viel Sündenstrafen nachgelassen, als ihm nachgelassen würden, wenn er nach der alten Sitte 40 Tage Buße tun würde. Nur wenige wissen noch über diese Ablasspraxis Bescheid, die sich vorsorglich auf allen Totenzetteln bis zum 2. Weltkrieg selbstverständlich fand.

2 aufwändig gestaltete Totenzettel mit Kreuzigungsszenen, dem päpstlichen Ablassdekret und Ablassgebeten  

Bis heute aber ist in der Bevölkerung ein Glaube/ein Wissen tief verwurzelt. Die Seelen der Toten sind nicht fern, sie sind um uns, und wenn wir offen sind, spüren wir ihre Nähe. Sie warten auf unsere Hilfe. Früher wurden die “Abgestorbenen”, wie die alte Formulierung hieß, in die täglichen Gebete, auch die Tischgebete, selbstverständlich mit eingeschlossen, und der Glaube, dass sie sich in einem besonderen Gnadenakt bemerkbar machen konnten, steht am Anfang vieler überlieferter Geschichten aus der Eifel.

Mein Urgroßvater, der von Driesch stammte, kam danach spät abends von einer Fuhre vom Cochemer Markt heim. Unterwegs, mitten im Cochemer Berg, setzte sich ein Licht, ein sog. Trilicht, auf den Hummen des Zugpferdes. In dem Bewusstsein, es handle sich um eine Arme Seele, die sich bemerkbar machen dürfe, um durch Gebet erlöst zu werden, begann mein Urgroßvater zu beten, Kilometer für Kilometer. Das Licht wich  nicht. Er fährt in den Hof. Das Licht leuchtet immer noch, als er abgespannt hat und den Hummen aufhängen will. Er wird ärgerlich und stößt unbedacht einen Fluch aus. In diesem Augenblick beginnt das Licht zu reden und klagt, es wäre erlöst gewesen, wenn er noch 5 andächtige Vaterunser gebetet hätte, aber um diese Fluches willen, der seinetwegen ausgestoßen wurde, müsse es weitere Jahre büßen. Eine eingängigere Erklärung über die Sinnhaftigkeit und Bedeutung des fürbittenden Gebetes und die Verantwortung über den Tod hinaus konnte es für die Zuhörer nicht geben.

Hilfsmittel:
Der katholische Dienstbote, Regensburg 1914
Trost der Armen Seelen, Einsiedeln, 1890
Kurt Müller-Veltin, Mittelrheinische Steinkreuze, Neuss 1980