Der Stolz der Gemeinde war und ist ihr Wald. Seine Buchen und Eichen durften Jahrhunderte lang wachsen und bildeten immer schon eine wichtige Reserve für Notzeiten. Backes und Kirche, jedes Hausdach und Fachwerk, jeder Staketenzaun und Küchentisch waren aus den Stämmen dieses Waldes gezimmert und geschnitten. Bei abnehmendem Licht geschlagen, trotzen diese Eichenbalken, die im kargen Eifelboden gewachsen und allen Wettern ausgesetzt waren, noch heute jedem Nagel und würden im Lichte und mit den Methoden der modernen Forschung heute ein wertvolles Archiv für die Gemeinde darstellen, wären sie nicht arglos im Martinsfeuer verbrannt und entsorgt worden. Aber das ist nicht das eigentliche Thema. Gevenich ist auch “reich” an schroffen und steil abfallenden Hängen nicht nur zum Ellerbach hin, die heute kaum mehr jemand durchstreift, die aber eine wichtige und wertvolle Rolle im Naturhaushalt spielen. Nur wenige wissen, dass noch vor einem Menschenalter viele Gevenicher in diesen Hau- und Reiserbergen eine mageres Auskommen, ein Zubrot und manchmal ihr eigentliches Brot suchten und fanden.

Diese sog. Niederwälder waren von jungen  Buchen- und Eichenbeständen geprägt, bevor nach 1815 Fichten, die anfangs wenig geliebten Preußenbäume,  in Reih und Glied angepflanzt wurden, weil sie schnellen Gewinn versprachen, eine ökologische und wirtschaftliche Fehlentscheidung, wie wir heute wissen.

LoheisenLoheisen

Diese Lohhecken aber waren gerade für die kleinbäuerliche Wirtschaft in den Mittelgebirgen wichtig, denn wenn im Frühjahr der Saft in den jungen Eichenbeständen stieg, begann in den freigegebenen Hangflächen Anfang Mai die Saison zum Lohschälen, auf die ärmere Bewohner des Ortes angewiesen waren. Mit “Häp” und Loheisen ausgerüstet zogen die Lohschäler in die Hänge. Über Augenhöhe wurde in  bequemer Reichweite mit der Häp die Rinde der jungen Eichenstämmchen kreisrund eingeschnitten und dann der Länge nach von oben nach unten mit dem Loheisen aufgeschlitzt. Dieses etwa 25 cm lange Eisen lag angenehm in der Hand un konnte als Universalwerkzeug benutzt werden.  Das spitze Ende diente zum Ritzen, während die ovale, löffelförmig  geschmiedete Gegenseite unter die Rinde geschoben wurde, die im vollen Saft stand und so zügig vom Stamm gelöst werden konnte. Ein einziges Eisen dieser Art ist mir aus Gevenich bekannt. Daneben gab es die Lohlöffel. Sie wurden vom Dorfschmied in einer Länge von 15-18 cm hergestellt und durch einen etwa 20cm langen Stiel verlängert. Sie wurden nur zum Lösen der Rinde eingesetzt. Zur Arbeitserleichterung wurden die noch biegsamen Lohstangen auch geknickt. Ansonsten wurde die Rinde von den stehenden Stangen abgeschält. Die langen Rindenstreifen wurden in “Beerden” gestapelt, um zu trocknen. Da in Gevenich die Rinde in der Regel von den noch stehenden Stämmchen geschält wurde, stand am Ende der Aktion ein “nackter, weißer Lohwald” in der Landschaft. Die kahlen Stangen waren als Brennholz gefragt und wurden versteigert. Die Rinde aber wurde an eine Lohmühle verkauft, wo sie gemahlen wurde, um die zum Gerben von Leder wertvolle Gerbsäure, das Tannin, zu gewinnen. So konnten die Häute in zähes Schuh- und Sohlenleder umgewandelt werden. Selbst die gemahlene, ausgelaugte Rinde wurde noch gepresst und fand als Brennmaterial ihre Abnehmer.

Als sich während der unerwartet langen Jahre des 1. Weltkrieges zunehmend Rohstoffmangel bemerkbar machte, hatte die Lohgewinnung aus Eichenrinde auch in Gevenich Hochkonjunktur. Die kahl geschlagene Fläche aber wurde von denen, die kein oder nur mageres Land hatten, noch mindestens 1 Jahr lang als Acker zum Kornsäen oder (danach) zum Kartoffelanbau genutzt. Die Not trieb die Ärmsten dazu, alles zu versuchen, um überhaupt überleben zu können.

Was für eine Arbeit, denn das Reisig wurde mit den (wenn überhaupt) dünnen Grassoden, die man vorher abgeschält und getrocknet hatte,  haufenweise verbrannt und als Aschedünger auf der Fläche ausgestreut. Vor der Aussaat mussten die Steilhänge mühsam von Hand von unten nach oben bearbeitet werden. Kein wirklicher Bauer hätte sich dieser Prozedur unterzogen, obwohl das Getreide, das dann hier spärlich wuchs, als Saatgut sehr beliebt war, weil hier im Gegensatz zu den anderen Kornfeldern durch das Abbrennen auch der Unkrautsamen größtenteils vernichtet war.

Schon bald aber trieben die Wurzeln erneut aus und 20 Jahre später war wieder “Erntezeit”. Gemarkungsnamen wie “Lohheck..” weisen noch heute auf das harte Los vieler Generationen hin und auf eine Arbeit, die bestenfalls in vergilbten Chroniken noch beschrieben wird.

Was ist das für ein Werkzeug?Ein einzigartiges wie eigenartiges Instrument, das in besonderen, d.h. in Notfällen in den bäuerlichen Betrieben von Gevenich fast in jedem Jahr zum Einsatz kam. Mir ist allerdings nicht bekannt, dass im Ort selbst ein solches “Werkzeug” existierte.
Wer weiß Bescheid, wozu wurde es eingesetzt?