12 Daach zwesche de Joare
Keine Zeit ist so geheimnisvoll , so unheimlich auch und traditionsbeladen wie die Tage “zwischen den Jahren”, “ dee Lousterdaach”, wie die alten Gevenicher noch vor 2 Generationen sagten.
Für uns heute sind Weihnachtsbaum und Krippe Inbegriff der Weihnachtszeit, und doch konnten sich beide erst vor 100 Jahren bei uns durchsetzen.
Im frommen Gedenken an das Weihnachtswunder war die Weihnachtszeit immer geheimnisvoll, dunkle Nächte, die auf wundersame Weise einmal im Jahr Kreatur und Mensch miteinander verbanden.
Verwundert und in gläubigem Staunen hörten dann die Kinder von ihren Eltern, dass in der Christnacht um Mitternacht die Tiere miteinander sprechen konnten. Einmal im Jahr, vor Weihnachten, wurden bei uns regelmäßig die Futterkrippen gesäubert und die Schweinströge von der dicken, hartnäckigen Kruste befreit, die sich im Laufe des Jahres angesetzt hatte.
Im Widerstreit mit dem Heilsgeschehen tobten sich in diesen Tagen auch die Mächte der Finsternis aus. In dieser Zeit bedrohten Werwölfe im Pakt mit dem Teufel Mensch und Vieh. Wilhelm Hey, Robert Krämer und Bernhard Michael Steinmetz haben die alten Überlieferungen unserer Region in ihrer lebendigenSprache vor dem Vergessen bewahrt. Auch in Gevenich erzählten die Alten ihren Enkeln in diesen Tagen, wie es A. Lehnen aufgeschrieben hat.
Alfred Lehnen
Dee Lousterdaach sind/waren in Gevenich die 12 Tage zwischen Weihnachten (genauer zwischen Stäawesdaach = St. Stephan am 26. Dezember) und dem Fest der Heiligen 3 Könige am 6. Januar (in den ersten christlichen Jahrhunderten wurde an diesem Tag auch die Geburt Christi gefeiert, begann an Epiphanias das neue Jahr, wie es heute noch in der Ostkirche üblich ist).
Bis nach dem 2. Weltkrieg spielten diese Tage eine besonders wichtige Rolle im Bewusstsein der Gevenicher Bauern. Es sind die Tage, an denen die Menschen besonders in die Natur hinein horchten (lousterten), sie beobachteten, waren es, so die feste Überzeugung, doch die Tage im Jahr, die in geheimnisvoller Weise das Wetter für die kommenden 12 Monate voraus sagten. Und so hatten in diesen Wochen Wind und Schnee, Hagel, Nebel und Sonne wie ausufernde Bäche, Vormittag (= entscheidend für die erste Monatshälfte) oder Nachmittage ihre besondere Bedeutung, die im jeweiligen Hausbuch oder Kalender genau aufgezeichnet wurden.
Historisch gesehen reicht der geheime Zauber dieser 12 Nächte, der Rauhnächte, die als die dunkelsten Nächte des Jahres galten, in die Zeit der heidnischen Mythologie zurück, als die Mächte des Bösen und des Lichts miteinander um die Vorherrschaft rangen. Mit dem Christentum wurde die germanische Wintersonnenwende durch das Geburtsfest des neuen Lichtträgers umgedeutet. Mit dem Dreikönigstag ist dieses Ringen entschieden, fast unmerklich mehrt sich das Tageslicht, und die Finsternis ist endgültig besiegt.
So hatten unsere Vorfahren ihre eigenen Symbole, Vorstellungen und Bilder. Sie brauchten keinen Weihnachtsbaum als Lichtbringer, der mit ihrer Tradition sowieso nichts zu tun hatte, und so dauerte es sehr lange, bis er sich bei uns durchsetzen konnte.
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Der Weihnachtsbaum war in Gevenich von Anfang an die Fichte (später dann auch die Douglasie), der einst ungeliebte, von den preußischen Forstbeamten in Reih und Glied in die Landschaft gesetzte Preußenbaum, der so als Christbaum zu Ansehen und Würde kam. Schon immer durften sich die Gevenicher ihren Baum in der Gemarkung selbst suchen und frisch schlagen. Weiße Kerzen und meist viel Lametta gehörten schon immer zum geschmückten Baum. Baumschmuck bestand in den ersten Jahrzehnten, überwiegend aus Plätzchen, die in manchen Häusern besonders bunt verziert waren und den Kindern beim Abräumen eine letzte Belohnung brachten. Silber- oder goldfarbig bronzierte und wieder zusammengeklebte Baumnussschalen ergänzten den Schmuck.
Wenn die Schulkinder dann nach Weihnachten in die Häuser gingen, um die Bäumchen zu bestaunen, dann fiel schon auf, wo die buntesten Plätzchen hingen, und es ist noch heute in Erinnerung, dass Kone Trout un de Pitter (Theobald aus Gillenbeuren) ihren 6 Kindern (Anna, Luzia, Katharina, Josef, Johann und Nikla) im engen Häuschen in der Bachjass die buntesten Plätzchen mit kleinen farbigen Perlchen verziert hatten, eine Ausnahme. Noch seltener waren in den 20er - 30er Jahren teure Kugeln, teure wie zerbrechliche, mundgeblasene und aufwändig verzierte Kunstwerke, die es nur selten gab und die besonders gehegt und gepflegt wurden. Figürliche Darstellungen wie Vögel oder Nikoläuse waren verständlicherweise besonders beliebt. Eine Spitze aus zerbrechlichem Glas hat sich leider nirgends erhalten.
Das Bäumchen und später auch das Krippchen war in der Stuff oder in der Stuwwe -Komma aufgestellt. Die Stuff, die den ganzen Winter ungeheizt blieb, war an Weihnachten festlich geschmückt und auch beheizt. Nach den Feiertagen aber war alles vorbei. Der Baum blieb stehen, in der Regel unbeachtet, weil sich der Alltag wieder im einzig beheizten Raum des Hauses, der Küche, abspielte. In der eisigen Stube stand der Baum noch Wochen, vergessen zwar, aber gut aufgehoben, ohne zu nadeln. Die ersten Bäume wurden zwar schon nach dem Kinnigsdaach abgeräumt, viele blieben aber auch bis Fastnacht stehen.
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