12 Daach zwesche de Joare

Keine Zeit ist so geheimnisvoll , so unheimlich auch und traditionsbeladen wie die Tage “zwischen den Jahren”, “ dee Lousterdaach”, wie die alten Gevenicher noch vor 2 Generationen sagten.

Für uns heute sind Weihnachtsbaum und Krippe Inbegriff der Weihnachtszeit, und doch konnten sich beide erst vor 100 Jahren bei uns durchsetzen.

Im frommen Gedenken an das Weihnachtswunder war die Weihnachtszeit immer geheimnisvoll, dunkle Nächte, die auf wundersame Weise einmal im Jahr Kreatur und Mensch miteinander verbanden.
Verwundert und in gläubigem Staunen hörten dann die Kinder von ihren Eltern, dass in der Christnacht um Mitternacht die Tiere miteinander sprechen konnten. Einmal im Jahr, vor Weihnachten, wurden bei uns regelmäßig die Futterkrippen gesäubert und die Schweinströge von der dicken, hartnäckigen Kruste befreit, die sich im Laufe des Jahres angesetzt hatte.

Im Widerstreit mit dem Heilsgeschehen tobten sich in diesen Tagen auch die Mächte der Finsternis aus. In dieser Zeit bedrohten Werwölfe im Pakt mit dem Teufel Mensch und Vieh. Wilhelm Hey, Robert Krämer und Bernhard Michael Steinmetz haben die alten Überlieferungen unserer Region in ihrer lebendigenSprache vor dem Vergessen bewahrt. Auch in Gevenich erzählten die Alten ihren Enkeln in diesen Tagen, wie es A. Lehnen aufgeschrieben hat.

"Mein Großvater spielte einst mit noch drei andern Männern in der Heiligen Nacht Karten. Gegen Morgen, als in der Dorfkirche die Weihnachtsmette begonnen hatte, gesellte sich zu den Kartenspielern ein Fremder. Dieser fragte, ob er mitspielen dürfe, was man ihm gestattete. Der Fremde gewann immerfort. Den Männern wurde das unheimlich und bald trat ihnen der kalte Schweiß auf die Stirnen. Einer schaute den andern mit vielsagenden Blicken an. Es wurde ihnen mit Entsetzen inne, dass der fremde Mitspieler kein anderer als der Leibhaftige sein konnte. Als sie sich in Angst und Schrecken entfernen wollten, hielt er sie  mit unverhüllten Drohungen zurück. Mein Großvater besaß den meisten Mut. Mit einer listigen Ausrede verließ  er die Stube und lief zum Pfarrer. Der kam mit Kreuz und Weihwasser, besprengte unter Gebeten das Haus und beschwor, den Bösen. Mit unheimlichem Getöse und schrecklichen Verwünschungen entfernte sich der Fremde. Drei der Männer starben selbigen Jahres. Mein Großvater, der den Pastor gerufen hatte, lebte noch einige Jahre länger."
Alfred Lehnen
 
Über 1000 Jahre reichen die Vorstellungen aus heidnisch-germanischer Zeit zurück, die in der Überlieferung der Eifelhöhen bis weit ins 19. Jahrhundert weiter lebten und die Unheimlichkeit dieser Wochen zwischen Kolwerboor und Wilder Endert erklärten.
 
In den "Lausternächten" zwischen Weihnachten und Dreikönigstag braust seit Urzeiten der Wilde Jäger Wodewitz mit seinem verruchten Geisterheer aus dem weiten Hochpochtener Wald über die steilen Enderthänge bis hinunter ins liebliche Moseltal und wieder zurück in die Quellgründe der Wilden Endert am Fuße des Höchstberges. Die  mächtigen Baumriesen ächzen und stöhnen dann schauerlich und durch die dunklen Lüfte dröhnt das verzweifelte Heulen und Johlen der Wilden Jagd. Wer in diesen stürmischen Herbst- und Winternächten dem rasenden Wodewitz und seinem verdammten Gefolge begegnet und sich nicht alsogleich platt zu Boden wirft, der soll dem Tode verfallen sein, erzählt man winterabends in den dämmerigen Bauernstuben. Aber in den Heiligen Zwölfen zwischen den Jahren überschüttet zuweilen der unglückliche Wolkenreiter auch ein schuldloses Menschenkind mit reichen Glücksgaben. . ..

Dee Lousterdaach sind/waren  in Gevenich die 12 Tage zwischen Weihnachten (genauer zwischen Stäawesdaach = St. Stephan am 26. Dezember) und dem Fest der Heiligen 3 Könige am 6. Januar (in den ersten christlichen Jahrhunderten wurde an diesem Tag auch die Geburt Christi gefeiert, begann an Epiphanias das neue Jahr, wie es heute noch in der Ostkirche üblich ist).
Bis nach dem 2. Weltkrieg spielten diese Tage eine besonders wichtige Rolle im Bewusstsein der Gevenicher Bauern. Es sind die Tage, an denen die Menschen besonders in die Natur hinein horchten (lousterten), sie beobachteten, waren es, so die feste Überzeugung, doch die Tage im Jahr, die in geheimnisvoller Weise das Wetter für die kommenden 12 Monate voraus sagten. Und so hatten in diesen Wochen Wind und Schnee, Hagel, Nebel und Sonne wie ausufernde Bäche, Vormittag (= entscheidend für die erste Monatshälfte) oder Nachmittage ihre besondere Bedeutung, die im jeweiligen Hausbuch oder Kalender genau aufgezeichnet wurden.
Historisch gesehen reicht der geheime Zauber dieser 12 Nächte, der Rauhnächte, die als die dunkelsten Nächte des Jahres galten, in die Zeit der heidnischen Mythologie zurück, als die Mächte des Bösen und des Lichts miteinander um die Vorherrschaft rangen. Mit dem Christentum wurde die germanische Wintersonnenwende durch das Geburtsfest des neuen Lichtträgers umgedeutet. Mit dem Dreikönigstag ist dieses Ringen entschieden, fast unmerklich mehrt sich das Tageslicht, und die Finsternis ist endgültig besiegt.
So hatten unsere Vorfahren ihre eigenen Symbole, Vorstellungen und Bilder. Sie brauchten keinen Weihnachtsbaum als Lichtbringer, der mit ihrer Tradition sowieso nichts zu tun hatte, und so dauerte es sehr lange, bis er sich bei uns durchsetzen konnte.
 

 

Der Weihnachtsbaum war in Gevenich von Anfang an die Fichte (später dann auch die Douglasie), der einst ungeliebte, von den preußischen Forstbeamten in Reih und Glied in die Landschaft gesetzte Preußenbaum, der so als Christbaum zu Ansehen und Würde kam. Schon immer durften sich die Gevenicher ihren Baum in der Gemarkung selbst suchen und frisch schlagen. Weiße Kerzen und meist viel Lametta gehörten schon immer zum geschmückten Baum. Baumschmuck bestand in den ersten Jahrzehnten, überwiegend aus Plätzchen, die in manchen Häusern besonders bunt verziert waren und den Kindern beim Abräumen eine letzte Belohnung brachten. Silber- oder goldfarbig bronzierte und wieder zusammengeklebte Baumnussschalen ergänzten den Schmuck.

Wenn die Schulkinder dann nach Weihnachten in die Häuser gingen, um die Bäumchen zu bestaunen, dann fiel schon auf, wo die buntesten Plätzchen hingen, und es ist noch heute in Erinnerung, dass Kone Trout un de  Pitter (Theobald aus Gillenbeuren) ihren 6 Kindern (Anna, Luzia, Katharina, Josef, Johann und Nikla) im engen Häuschen in der Bachjass die buntesten Plätzchen mit kleinen farbigen Perlchen verziert hatten, eine Ausnahme. Noch seltener waren in den 20er - 30er Jahren teure Kugeln, teure wie zerbrechliche, mundgeblasene und aufwändig verzierte Kunstwerke, die es nur selten gab und die besonders gehegt und gepflegt wurden. Figürliche Darstellungen wie Vögel oder Nikoläuse waren verständlicherweise besonders beliebt. Eine Spitze aus zerbrechlichem Glas hat sich leider nirgends erhalten.

Das Bäumchen und später auch das Krippchen war in der Stuff oder in der Stuwwe -Komma aufgestellt. Die Stuff, die den ganzen Winter ungeheizt blieb, war an Weihnachten festlich geschmückt und auch beheizt. Nach den Feiertagen aber war alles vorbei. Der Baum blieb stehen, in der Regel unbeachtet, weil sich der Alltag wieder im einzig beheizten Raum des Hauses, der Küche, abspielte. In der eisigen Stube  stand der Baum noch Wochen, vergessen zwar, aber  gut aufgehoben, ohne zu nadeln. Die ersten Bäume wurden zwar schon nach dem Kinnigsdaach abgeräumt, viele blieben aber auch bis Fastnacht stehen.