Ein kurzer Rückblick

Umzug  Mitte der 50er Jahre. Im Hintergrund zwischen dem alten Häre Hous und Arenze ist der Maibaum zu erkennen.

Die Blüte der Schlehdornhecken im Mai und das junge Birken- und Buchengrün galten bei uns schon immer als Zeichen der Hoffnung und des Aufbruchs. Als “Maibäume oder Maien” wurde das Grün  in den Dörfern aufgestellt und sollte für den Ort wie die Menschen Segen, Wachsen und Gedeihen bringen. Ihr hoffnungsvolles Grün versprach allen Reife und reiche Ernte. Diese enge Verbundenheit mit der Natur liegt allem Maibrauchtum zugrunde, und die Jahrhunderte alten Flur- und Bittgänge unserer katholisch geprägten Region gaben ihr eine besondere Weihe.

Zahlreiche Bräuche, die wie das Mailehen im 19. Jahrhundert auch noch in Gevenich bekannt waren, sind verschüttet gegangen oder nur noch spurenhaft auszumachen, so  das Hexentreiben in der Walpurgisnacht, in der jugendlicher Übermut zum Schrecken vieler ordnungsliebender Mitbürger schon manches auf den Kopf stellte. Leider wurde der Brauch, der ursprünglich die letzten Schadgeister durch Gepolter vertreiben sollte, zunehmend missverstanden und artete nicht selten in groben Unfug aus. So war auch  der Brauch, “Peedche” (ursprünglich mit Kaaf oder Häcksel, später mit Kalk) zu streuen, ursprünglich gedacht,  Treulose zu brandmarken; später diente er nur noch dazu, heimliche Liebschaften aufzudecken.

 

 
1961 Erstmals steht der Maibaum gegenüber der Einfahrt zum Brehmacker.   Schmitz Hermann (Hermann Adams, Mühlenweg, Jahrgang 1944) am Maibaum.

Allgemein geblieben ist auch in Gevenich der Maibaum, auch wenn die Zeit ihren Tribut forderte und sich der Brauch wie das Dorf selbst allmählich, aber merklich veränderte. Noch gibt es Zeitzeugen, die wie Ewald Jahnen aus ihrer eigenen Erfahrung erzählen könnten. Wie lange noch? 

 
Nächster Standort: Reitichwäch, am Meertesfouer. Josef Waldorf beim Ausheben des Lochs.   Unterdessen wickelt Hermann Josef Weinem die Seile zwischen den Stützen.

Maibaum-Stellen war immer schon das Recht der Junggesellen, war Ehrensache und Beweis für die starke Verbundenheit mit Gevenich. Maibaum-Stellen war eine Herzens2sache des ganzen Dorfes, dem alle entgegen fieberten, denn im Wetteifer mit den Nachbargemeinden durfte Gevenich nicht hinten anstehen. Schon beim Aussuchen des Maibaums ließen die Junggesellen  nicht mit sich reden. Längst hatten sie, und nur sie allein, den Baum ausgesucht, der besonders stattlich über die anderen hinaus ragte, aber gleichzeitig auch abtransportiert werden könnte.  Ihn allein mit Muskelkraft, also mit Drummsäge und Axt, zu fällen bedurfte es schon einer arbeitsgewohnten und zahlenmäßig großen Truppe. Ein Abenteuer, das nur schildern sollte, wer es mitgemacht hat, war der Transport vom oft unwegsamen “Tatort” auf den stabilsten Eisenradwagen, die Gevenich zu bieten hatte.  Kuh-, Ochsen- und Pferdegespanne mussten in der vormotorisierten Zeit bis in die 50er Jahre eingesetzt werden, und allein das Befahren der damals noch unausgebauten Feldwege mit ihren engen Kurven war schon bei trockenem Wetter eine nicht ungefährliche Angelegenheit.

 
 

Der Einzug ins Dorf aber entlohnte dann für die mühevolle Arbeit. Das ganze Dorf strömte aufgeregt zusammen, denn der Maibaum wurde schon immer, wie es sich gehörte, nach erprobtem Ritual mitten im Dorf mit Stützen und Streben zwischen “ Häre und Arenze Hous” aufgestellt, so dass die Zufahrt in den Hof frei blieb. Immer und überall waren die Spannung und die Angst zu spüren, ob/ dass  es auch gut gehen werde zwischen den Häusern. Am aufgeregtesten aber war Arenze Hennes. All das geschah unter den Augen der Gevenicher, die in dichten Trauben dabei waren. Jeder wollte und wusste mit guten Ratschlägen, mit Ketten und Seilen, mit allem mitzuhelfen. Es sei nicht verschwiegen, dass mitunter ein Baum ausgesucht wurde, der die Möglichkeiten der Junggesellen dann doch überstieg, so dass vorsorglich ein Stammstück abgesägt wurde. Das sei an dieser Stelle aber nur der Vollständigkeit halber angedeutet und wenn dann beim Aufstellen wirklich Not am Mann war, dann halfen die erwachsenen Männer selbst älterer Jahrgänge mit, denn ein wirklicher Brauch ist das Anliegen aller,und der sehnsüchtig erwartete Abend mit Fleischwurst und Bier ... beim Hennes wurde ausgiebig genutzt so dass der Erlös, den der Baum erbringen sollte, gleich am 1. Abend größtenteils verzehrt wurde.

Über die anschließende Hexennacht gibt es viele Geschichten und Fragen, aber wenig Antworten, denn der Zusammenhalt der “Täter” war unverbrüchlich, und niemand wollte die Junggesellen gegen sich aufbringen.
Verständlich, wenn am herbei gesehnten Monatsende der Maibaum dann sehr pünktlich umgelegt wurde; das war dann zwischen den Häusern die gefährlichste Aktion. Um diese Gefahr zu bannen, wurde dann Ende der 50er Anfang der 60er Jahre der Standort wechselnd an den Rand des Ortes verlegt.

Mit der Zeit haben sich auch die Voraussetzungen und Umstände geändert, die Beteiligung der Bevölkerung nahm seitdem deutlich ab, die Jahrgänge wurden kleiner, der Zusammenhalt untereinander lockerte sich, und der Erlös aus dem Verkauf des Maibaums spielte schon bald nicht mehr die Rolle wie in den Jahren nach dem Krieg. Der Demonstrationswert besonders großer Maibäume gegenüber anderen Gemeinden ist geringer geworden ...