Spurensuche ist ein Angebot an alle, die sich für die Vergangenheit von Gevenich interessieren, die wissen möchten, wie unsere Vorfahren vor Generationen, vor Jahrhunderten gelebt haben, wie sich das Leben und der Ort veränderten. Vielen Dank an Walter Schleuss für diese Beiträge.

Werbefoto 1931
Hinten: Frieda Holzknecht • Anna Hammes • Alois Hammes • Johann Mais • Barbara Mais
Vorne: Hermann Keßler • Susanne Eberhard geb. Berenz • Hermann Berenz • Gertrud Schmitz geb. Keßler • Alois Berenz • Agathe Müller geb. Allar

Etwas verlegen hält die kleine Agathe das Schild Gevenich 23.6.1931 in die aufgebaute Kamera einer großen Markenfirma, ein Zeitdokument, denn die scheinbar heile Welt des Fotos ist brüchig geworden. 1931 ist eine Zeit spürbarer Veränderungen auch in Gevenich. Die Weltwirtschaftskrise, die sich seit 1929 von den USA auf Europa ausbreitete, erschütterte auch Deutschland. Ein Flächenbrand von Arbeitslosigkeit, Not und Zukunftsängsten lastete über den Städten und überflutete zunehmend auch die ländlichen Gebiete. Die Folgen waren auch bei uns spürbar.

Behälter für KautabakKaum einer kennt heute noch die Namen, die vor dem 2. Weltkrieg in vieler Munde waren, und wenn ich Ende der 40er, Anfang 50er Jahre wieder einmal unseren alten Schneider Männel in seiner kleinen Wohnung bei “Theise Juppa” hinter Adams kleinem Häuschen besuchte, dann priemte er während der Arbeit genüsslich vor sich hin, schob einen undefinierbar, unansehnlich schwarzen Klumpen von einer Backentasche zur anderen und spuckte oder schluckte als Ergebnis dieses Genusses von Zeit zu Zeit eine dunkle Brühe. Seiner Frau, die aus mir unbekannten Gründen im Dorf allgemein als Pflastergritt bekannt war, behagte das gar nicht.

Jedenfalls durfte ich immer wieder für ein paar Groschen bei Arenze Trout Kautabak kaufen gehen. Hanewacker war seine Marke, und die fertig geschnittenen Kautabakstückchen waren seinerzeit in kleinen Pappschächtelchen verpackt. Als Zugabe hatte jedes ein spitzes Hölzchen. Damit angelte Herr Männel behutsam seinen Priem aus der Schachtel und vermied so den direkten Hautkontakt mit dieser doch nicht so angenehm riechenden, schwarz färbenden “Masse”.

Pfeife

Zerbrechlich waren sie, die kleinen Tonpfeifen, die in den Brennöfen von Speicher oder auf dem Westerwald waggonweise auf Verbrauch produziert und den etwas besseren Weckmännern attraktiv in den Arm gelegt wurden.

Ein eigenes Bild bot sich, wenn die zarten, auf Bruch gepressten Gebilde von den ungelenken Fingern feinfühlig umfasst und fürsorglich umhegt wurden. Jeder auf der Altenbank hinter dem Backes hatte eins als treuen Begleiter in den geselligen Feierabend.

Trotz allem liebevollen Umgang war Bruch nur eine Frage der Zeit. Aber das war weiter nicht besonders schlimm, dann rauchte man eben auf dem abgebrochenen Stummel weiter und umwickelte den Rest zur Verstärkung sorgfältig mit Garn. Wenn dann eines Tages auch diese Ruine nicht mehr zugkräftig war, leistete man sich ein neues “Hänschen”, wie man sein vertrautes Pfeifchen liebevoll nannte. Ein schmerzhafter Augenblick. “Kosta Pitta” hatte sie für ein paar Pfennige auf Vorrat. Aber es kostete schon etwas Überwindung, sich ein neues zu leisten, weil das rohe Weiß des Tons noch so unfertig aussah und jetzt überall beim Anrauchen braune Flecken auftauchten. Es dauerte schon seine Zeit, bis ein gleichmäßig dunkler Ton das “schön gerauchte” Pfeifchen schmückte. Und jetzt schmeckte es auch wieder, denn der rohe Ton bitzelte anfangs noch recht unangenehm auf der Zunge.