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An Gottes Segen ist alles gelegen

Krautwisch und Marienverehrung gehören untrennbar zusammen und sind in der weitestgehend katholischen Eifel tief verwurzelt. Maria, Marie, Anna, Ami ... waren auch in Gevenich mit deutlichem Abstand die häufigsten Vornamen für Mädchen, und deshalb war der 12. September das, Fest Mariä Namen, auch in Gevenich ein besonderer Tag. Die Gewohnheit, dass mit diesem Tag arme Dorfbewohner ungefragt liegengebliebene Ähren auf dem Feld aufsammeln durften, war noch lange üblich.

Marientage waren wichtige Merk- und Lostage im Bauernkalender. Mit Mariä Lichtmess wurden die Tage um einen Hahnenschrei länger, hieß es. Am 2. Februar war nach uralter Tradition “Bindeltjes-Dach”, der Tag, an dem Knechte und Mägde ihre Habseligkeiten zusammenrafften, um die Stelle zu wechseln. Neben Martini war Mariä Lichtmess ein weiterer Zinstag.

Wenn sich in der 2. Augusthälfte die Schwalben sammelten, dann war der 8. September nicht mehr weit, dann hörte jedes Kind “Mariä Jeburt zehjen de Schwalbe furt”, die nach dem 25. März, dem Fest Mariä Verkündigung, als Frühlingsboten gekommen waren.

Maialtärchen zu Ehren der “Maienkönigin” waren bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit, und die melodisch eingängigen Marienlieder gehörten wie die Volkslieder zum täglichen Liedgut und begleiteten die Arbeit der Frauen durchs ganze Jahr.

Die Pflege des Rosenkranzmonats und des Rosenkranzgebets war den Frauen besonders ans Herz gelegt. Die Beteiligung der Männer war dabei sichtlich zurückhaltender.

Als Fürsprecherin stand Maria den einfachen Leuten besonders nahe. Zur Gottesmutter trugen sie ihre persönlichen Sorgen, Anliegen und Hoffnungen. Wallfahrtsorte wie Bornhofen, Maria -Martental, Barweiler, Ebernach und auch Klausen sind Stätten der Marienverehrung und spiegeln wie unsere Heiligenhäuschen diese Verbundenheit wieder.

Die tägliche Not und Mühsal, unausgesprochene Ängste und Zwänge formten das Bild der Menschen von der Gottesmutter. Im Bildnis der Schmerzhaften Mutter Gottes fanden sich die Menschen der Eifel am ehesten wieder. Es überwiegt in unseren Kirchen und Feldkapellen, nicht die triumphale Lichtgestalt, die wir in den Barockkirchen Süddeutschlands antreffen.
Ganz anders das Hochfest “Mariä Himmelfahrt” am 15. August, das die Eifeler fern moderner Dogmenformeln weiterhin so benennen.

Im Bauernjahr war das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel seit eh ein frohes Fest, das Dank/ Erntedank und Fürbitte in einzigartiger Weise verbindet und durch den Jahrhunderte alten Brauch des Kräutersammelns in der Erfahrungswelt des bäuerlichen Lebens fest verankert ist.

Die ewige Diskussion, welche und wie viel Kräuter in einen Krautwisch gehörten, ist eine moderne Frage, die in jeder Region, in jedem Ort und in jeder Familie höchst individuell entschieden wurde. Die Anzahl spielte in Gevenich keine Rolle. Umfassend und dick musste er sein und Nutzpflanzen sowie Heil- und Würzkräuter aus der Gemarkung bündeln.

Zum Würzwisch gehörten immer alle Getreidesorten, Klee, Eichen- und Buchenblätter, die als Teil des heimischen Waldes in Notzeiten als Futter und Streu nicht selten einen letzten Ausweg boten.
 

Mariendistel
  Mariendistel

Spitzwegerich
Spitzwegerich

Salbei
Salbei

 

Kamille
Kamille
Im Hausgarten fanden sich Petersilie, Pfefferminze, Salbei, Dill, Beinwell und Liebstöckel/Maggikraut. Möhre und Zwiebel gehörten unbedingt dazu wie Ringelblume und ein Zweig von Hasel- und Baumnuss, die samt ihren unreifen Früchten eingebunden wurden. Längs der gemähten Wiesen, an den Wegrändern und auf Brachland suchte man Kamille, Dost, Beifuß, Wermut, Rainfarn, Zinnkraut/Schachtelhalm und die blau blühende Wegwarte. Hier fanden sich auch Spitzwegerich, Schafgarbe und Seifenkraut. Der Weg in den Wald war manchen zu weit, und so fehlten manchmal das Weideröschen und - ursprünglich ein Muss - die Königskerze.  Ein i-Tüpfelchen für uns Kinder war es immer, ein sog. Marienkisschen, eine Rosengalle,  für den Strauß zu finden. Wermut
Wermut

Der Krautwisch spiegelte die jeweilige Erfahrungswelt der Menschen wieder, war nie festgelegt, sondern änderte sich bei gleichbleibendem Grundbestand von Generation zu Generation. So wurden erst spät, in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, Blumen mit aufgenommen, die nun auch im Alltag eine größere Rolle spielten.

Der Krautwisch war Mitte August ein Geschenk der Natur und umfasste die volle Kraft der Eifel. Er bündelte Jahrhunderte altes Wissen um die Heilkräfte der Pflanzen für Mensch und Vieh. Die Weihe der Kräuter, die in verschwenderischer Fülle in der Gemarkung wuchsen, brachte zusätzlichen Segen mit ins Haus, und so wurde der Strauß unterm Dach auf dem Speicher in der Nähe des aufgeschütteten Brot- und Saatgetreides aufbewahrt, nicht vergessen.

“An Gottes Segen ist alles gelegen”. Unter den strohgedeckten Dächern ihrer Häuser fühlten sich die Menschen Blitz, Sturm und Hagel in besonderer Weise ausgeliefert und mit Gottes Segen auch geborgen. So war es auch in Gevenich Brauch, bei jedem schweren Gewitter einen kleinen Teil des Krautwischs im offenen Feuer zu verbrennen, um Blitz, Hagel und Sturm zu wehren. Dann wurde das offene Feuer gelöscht.

Nur noch vom Hörensagen ist bekannt, dass beim Bau eines Hauses ein Krautwisch unter die Eingangsschwelle gelegt wurde, um an der schwächsten Stelle des Hauses Unheil abzuwehren. Der Krautwisch trocknete und verstaubte, weggeworfen wurde er nie, denn nur so blieb der Segen dem Hause erhalten und wurde durch den neuen Wisch im folgenden Jahre erneuert.

Wenn en Familienmitglied starb, wurde er als letzter Segensgruß mit ins Grab auf den Weg in die Ewigkeit gegeben, und so

symbolisierte er Werden und Gedeihen, Leben, Vergehen und Sterben und blieb bis zum Ende ein Zeichen der Hoffnung und des Gottvertrauens.

Alle kannten die natürlichen Heilkräfte der Pflanzen und nutzten sie bei mancherlei Beschwerden. Alternativen gab es nicht. Leider ist mit dem Fortschritt der Schulmedizin das Wissen um diese Heilkräfte deutlich gesunken. Hinweise finden sich neben der mündlichen Überlieferung noch in vergilbten Hausbüchern. Zur Linderung wurde meist nur eine Pflanze genutzt. Es gab aber auch Teemischungen, die die Kräfte mehrerer Pflanzen vereinen sollten.

 Beispiele:
Pflanzen, die den Stoffwechsel im allgemeinen heben:
Wermut (Kraut)- Löffelkraut (Kraut) - Kamille (Blüten) - Erdbeere (Blätter) - Walnuss (Blätter) - Schafgarbe (Blätter und Blüten) - Eiche (Rinde) - Brombeere (Blätter) - Stiefmütterchen (Kraut)
Pflanzen die besonders positiv auf das Nervensystem wirken:
Arnika (Blüten und Wurzel) - Hirtentäschel (Kraut) - Pfefferminze (Blätter) - Melisse (Blätter) - Baldrian (Wurzeln) - Hopfen (Fruchtstand)
Auf die Nieren wirken:
Wacholder (Beere) - Liebstöckel (Wurzel) - Eiche (Rinde) - Petersilie (Same und Wurzel) - Birke (Blätter)
Die Verdauungsorgane werden angeregt durch
Wermut (Kraut) - Kalmus (Wurzelstock) - Kümmel (Samen) - Tausendgüldenkraut (Kraut) - Pfefferminze (Kraut) - Kamille (Blüte) - Fenchel (Same) - Majoran (Kraut) - Steinklee (Kraut) - Schafgarbe (Kraut und Blüte)
Die Lungentätigkeit wird gefördert durch
Huflattich (Blätter) - Alant (Wurzel) - Königskerze (Blüte) - Beinwell (Wurzel) - Lungenkraut (Kraut) - Wegerich (Blätter)
 

Teemischungen  
Schlafstörungen

Baldrian 4 EL
Hopfen 4 EL  
Fenchel 4 EL
Bärlauch 3 EL
Anis    2 EL   

Bärlauch
Bärlauch
 2 bis 3 Teelöffel der Mischung mit 1/4 l kochendem Wasser überbrühen, 10 Minuten ziehen lassen und abseihen.
Tagesdosis: 2 bis 3 Tassen nachmittags und abends warm trinken.
Zu hoher Blutdruck                           
Mistel    2 EL
Weißdorn 2 EL
Bärlauch    2 EL
Goldrute 3 EL       
Johanniskraut 3 EL
Zinnkraut
Zinnkraut
2 bis 3 Teelöffel, der Mischung mit 1/4 l kochendem Wasser überbrühen, 5 bis 10 Minuten ziehen lassen und abseihen.
Tagesdosis: 3 Tassen warm trinken.
Blutreinigung
Brennessel 3 EL                                    
Stiefmütterchen 3 EL
Goldrute 3 EL
Holunderblüten 3 EL
Zinnkraut 3 EL
Löwenzahn 3 EL

Löwenzahl
Löwenzahn
2 bis 3 Teelöffel der Mischung mit 1/4 l kochendem Wasser überbrühen, 5 bis 10 Minuten ziehen lassen und abseihen.
Tagesdosis: 3 bis 4 Tassen. Kurmäßige Einnahme über 2 bis 3 Monate.

 Zeichnungen aus: Heilpflanzen,Dr. Peter Schmidsberger,Gondrom Verlag