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Krumpere growe in aler Zeit

1875 ... Heu ziemlich aber schlecht bekommen Korn wenig und kurzes stroh. Hafer und Gerst mittelmäßig die Korn satt anfangs trocken, dan Regen dadurch wird es spät, dadurch wurde es schlecht so das wir unter dem Kierhweg alle ausgefahren haben. Kartofleln wenig und schlecht

Wer heute durch die Zehnreih geht, findet kaum noch ein Kartoffelfeld, Ergebnis des radikalen Strukturwandels in unseren Dörfern, der noch vor 2 Generationen undenkbar gewesen wäre, als Krumpereferie offiziell die Bedeutung der Kartoffeln für die allgemeine Ernährung unterstrichen.

Dabei haben Kartoffeln  200 Jahre lang das Überleben unserer Bauern gesichert.  Wenn die Getreideernte nur wenig Ertrag brachte, half die Kartoffel über die Runden, und wenn beides der Witterung oder Schädlingen zum Opfer fiel wie 1875,  war Hunger angesagt. Selbst wer kein eigenes Land bebaute, fand eine Ecke für Kartoffeln, denn der Verbrauch war so selbstverständlich, dass noch in den letzten Kriegsjahren höchst offiziell 3 Zentner Kartoffeln pro Kopf zugestanden wurden.

 

Arenze Trina, eine Schwester von Arenze Hennes, die mit ihrem Bruder Willi zusammen lebte, beim Kartoffel ausmachen auf der Retsch. Im Hintergrund ist noch die längliche Baracke des alten Kindergartens zu sehen, die damals noch von der Familie Wittersheim bewohnt wurde.

Mit dem Wandel in der Landwirtschaft und dem Untergang der kleinbäuerlichen Betriebe nach dem  2. Weltkrieg ist vieles verschwunden wie das bodenständige Glanrind, das wegen seiner Anspruchslosigkeit, seiner Leistungsstärke und seiner optimalen Anpassung an die dürftigen Verhältnisse der Eifel überall geschätzt war. Die Streuobstwiesen um das Dorf, die Obstbäume längs der Landstraßen, am Acker- und Schoadewäch mussten weichen wie auch die alten Kartoffelsorten. Keiner kennt mehr die “Hindenburg”, in deren Nachfolge sich seit den 30er Jahren “Ackersegen” zur beliebtesten Sorte entwickelte, die mit ihrer weißen Blütenpracht Jahr für Jahr reiche Ernte versprach und hielt.  Sie reifte spät und war gut zu lagern, und so wurde  die handliche, recht fest kochende Kartoffel bis in die 60-er Jahre als Brat- und Pellkartoffel angepflanzt und ist in bester Erinnerung geblieben. Prisca und Ackersegen wurden gleichzeitig angebaut. 


Järje Johann auf dem Weg zu seinem Kartoffelacker auf dem Mühlenberg Als allein lebender Junggeselle ist er auch beim Kartoffel ausmachen allein.

Beide bilden den Kern einer Anekdote, die seinerzeit den ganzen Ort zum Schmunzeln brachte. Mäs Johann (Johann Theisen) hatte eine Frau, die den in Gevenich unbekannten Vornamen Prisca hatte. Thennesse Peter, der bei den Theateraufführungen nach dem 2. Weltkrieg eine tragende Rolle spielte, kaum einem Schabernack aus dem Weg ging und nicht mundfaul auf jedes Töpfchen sein persönliches Deckelchen setzte, blieb zeitlebens ein überzeugter Junggeselle. Als in bierseliger Runde wieder einmal Prisca als hervorragende Kartoffel gelobt wurde, bemerkte er trocken,  er verstehe gut, dass der Johann seine Prisca geheiratet habe. Auch er werde jetzt umgehend heiraten, sobald ihm eine Frau mit dem Namen “Ackersegen” über den Weg laufe.
Bevor die Kartoffelernte nach dem 2. Weltkrieg mechanisiert wurde, wurden die Kartoffeln selbstverständlich mit dem Koascht, der 4-zinkigen Hacke, ausgegraben. Ganz allgemein war Krumpere ousmaache un offräafe Angelegenheit der Frauen und Kinder. Die Männer waren derweil mit anderen Feldarbeiten mehr als ausgelastet, besorgten dann aber am Abend das Auf-und Abladen der vollen Säcke. Den lieben Tag lang bei jedem Wetter den Rücken beugen, war mühsam und ging in die Knochen. Nach 2 Tagen aber hatten die meisten sich daran gewöhnt. Wenn das Stroh noch grün oder nicht ganz faul war, wurden die einzelnen Kartoffelbüschel ousjeriseltMannen standen bereit, um die dicken Kartoffeln, die Äaßkrumpere, aufzunehmen wie auch  die Sätzkrumpere. Die angehauenen und grünen Kartoffeln und alles kleine Gereppel wurde als Schweinskrumpere in einen eigenen Korb geworfen.

Morgens um 10 Uhr war eine Pause eingeplant. Man machte sich en Schmä met Berrekrout uda met (mit Salz und Kümmel) ihjemachtem Käs. Butter gab es seltener, denn die  mit dem gesammelten Schmand gestoßene oder gedrehte Butter sollte ja samstags auf dem Cochemer Markt verkauft werden. Wenn überhaupt, wurden Butter und Margarine zu gleichen Teilen gemischt. Wenn Hammesse Sus mittags das Essen im Topf oder Mitchje ins Feld brachte, dann gab es zu den obligatorischen Kartoffeln öfter mit Zimt gekochte Joateberre und ein gekochtes Ei oder stattdessen geräucherte Bauchlappen, seltener auch ein Stück Schinken. Zum Nachmittagskaffee war “Aapelhous” durchaus üblich und willkommen. Dazu setzte man sich auf halb gefüllte Sackstümpfe oder kippte einfach einen vollen zugebundenen Sack um.

Alle freuten sich auf die in der Glut des Kartoffelfeuers auf dem Feld gebackenen Kartoffeln, auch wenn die Vorstellung von den überall im Abendrot qualmenden Kartoffelfeuern romantisch verklärt ist. Sicher wurde auch ein Teil des trockenen Kartoffelstrohs mit verbrannt, in der Regel wurde aber auch Reisig gesammelt, weil das eine bessere Glut gab und das nicht immer abgetrocknete Stroh doch zu sehr gequalmt und gestunken hätte.

Je mehr Säcke abends in Reih und Glied standen, um so stolzer war man, vor allem, wenn in Sichtweite zufällig eine andere Mannschaft Kartoffeln ausmachte. Der Ehrgeiz spielte immer eine Rolle, und wenn die anderen mittags mehr Säcke gefüllt hatten, konnte die Pause zwischendurch auch schon mal kürzer ausfallen, um nachzuholen, was die anderen voraus waren. Beim Zubinden der Säcke wurden die wichtigen Setzkartoffeln durch beigebundenes Kartoffelstroh besonders gekennzeichnet. Diese Säcke wurden zu Hause nicht wie die dicken Eßkartoffeln von außen durchs Kartoffelloch in den Keller befördert (Kinderarbeit!), sondern wurden auf der Schulter über oft steile, enge, feuchte und damit gefährliche Kellertreppen runter getragen und sachte ausgeleert.
Beim späteren Abeggen der Felder wurde dann noch einmal sorgfältig Nachlese gehalten und noch so mancher Sack gefüllt.