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Der Bau des alten Pfarrhauses vor genau 200 Jahren bedeutete für Gevenich eine wichtige Zäsur in seiner Geschichte, Abschluss und Neubeginn.

Seit der Karolinger Zeit nach 800 war Alflen ein religiöser Kernpunkt unserer Region und schon früh mit dem Stift Karden verbunden, das hier nicht nur einen eigenen Hof unterhielt, sondern zeitweise auch 2 Drittel des Kirchenzehnten beanspruchte.  Seit Beginn im Hochmittelalter war auch Gevenich der ecclesia de Alflone zugeordnet und gehörte wie Auderath, Georgs- und Morschweiler zur Pfarrei Alflen. Bis zu seiner Auflösung 1802 durch die französische Besatzung stellte das Stift Karden viele Pfarrer, die auch Gevenich mit verwalteten und geistlich betreuten. Jahrhunderte lang galt die von Kurtrier immer wieder bestätigte Regelung, dass der Pfarrer von Alflen in Gevenich alle 2 Wochen einen Sonntagsgottesdienst zu halten hatte. Verschiedene Hinweise deuten darauf hin, dass es wiederholt Bestrebungen der Dorfbewohner gab, Gevenich von Alflen zu lösen. Es muss aber offen bleiben, wie realistisch diese Versuche waren.

Um sich den beständigen Weg zur Mutterkirche nach Alflen zu ersparen, waren die Gevenicher zu Opfern bereit und unterhielten, wie es für 1593 erstmals bezeugt ist, einen Vikar, einen Geistlichen also, der unter Aufsicht des Alfler Pfarrers sicherstellen sollte, dass fortan in Gevenich an allen Sonntagen ein Gottesdienst gefeiert wurde. Wohl aus dem Bestreben, diese Regelung zu festigen, vergrößerten die knapp 100 Gevenicher ihre kleine, mittelalterliche Kirche und leisteten sich trotz eines weiteren Rückgangs der Bevölkerung in den Wirren des 30-jährigen Krieges den Bau eines Kirchturms und weiterhin einen Vikar. Des ungeachtet blieb die Verpflichtung, dass sie an Allerheiligen und Pfingsten die Gottesdienste in Alflen besuchen mussten.

Und dann kamen 1794 die französischen Revolutionstruppen, gliederten das linke Rheinufer an Frankreich an und veränderten in den folgenden 20 Jahren ganz Deutschland nach ihren Ideen. In diesen Jahren des Umbruchs und der Neustrukturierung zerfiel auch die traditionsreiche Pfarrei Alflen, die mit Auderath, Morschweiler und Georgsweiler dem neuen Kanton Ulmen zugeordnet wurde, während Gevenich und Weiler nunmehr zum Kanton Lutzerath im Arrondissement Koblenz im Département Rhein-Mosel kamen. Gevenich kam nunmehr mit Weiler auch zur Kantonspfarrei Lutzerath im Bistum Trier mit dem kleinen Unterschied, dass nach 1805 nunmehr Weiler als Sitz des Pfarrers aufgewertet und Gevenich als Filiale von Weiler abgestuft wurde, eine Entscheidung, die die Gevenicher geschockt haben musste. Der neu ernannte Pfarrer Paul Tholl residierte zwar in Weiler, hatte aber kein eigenes Pfarrhaus.

Die schnelle und größere Entschlusskraft wie  Risikobereitschaft der Gevenicher gab jetzt den Ausschlag. Unter großem Aufwand bauten sie wider alle Vernunft ein geräumiges Pfarrhaus mit 8 Zimmern, das vor genau 200 Jahren 1809 fertig war. Es vergingen allerdings Jahre, bis sich das Bistum den Fakten beugte und Gevenich gegen den erbitterten Widerstand von Pfarrer Tholl 1812 Pfarrsitz wurde. Die Androhung des Pfarrers, er werde keinen Schritt nach Gevenich und über die Schwelle des neuen Pfarrhauses machen, soll sich nach alter Gevenicher Überlieferung insofern erfüllt haben, als er von Weiler ins Gevenicher Pfarrhaus getragen werden musste.

Foto: Hermann Erberhard Foto: Gemeindearchiv

160 Jahre prägte dieser imposante, historische Bau das Bild des Unterdorfes. Seine komplizierte Dachlandschaft hebt sich auffallend von den im Ort üblichen Satteldächern ab.  Dabei lässt die streng harmonisch gegliederte Südfassade mit dem aufgesetzten klassizistischen Giebeldreieck und den beidseitigen Gauben darauf schließen, dass ein späterer Anbau nach Osten zum Garten hin den anspruchsvollen Bau von 1809 unter dem klassischen Walmdach stark (und nicht zu seinem optischen Vorteil) veränderte. Diese Vermutung bestätigt eine Aufnahme des Pfarrhauses vom Hellenweg aus, die auch nach Norden hin die gleiche, klassizistisch strenge Symmetrie wie im Süden zeigt und nach Süden hin anschließend den im einfachsten Fachwerk gehaltenen Anbau mit dem hohen Kamin, der sich deutlich vom ursprünglichen Walmdach abhebt.

Ist es ein Fingerzeig, wenn das neue Dekanat Karden-Martental an die Anfänge christlicher Durchdringung unserer Eifelgemeinden erinnert?

Und als das neue Pfarrhaus vor 40 Jahren 1969 gebaut wurde, da war es erklärtes Ziel von Pastor Caspers, dass mit dem Neubau Gevenich auf Dauer Pfarrsitz sein werde. Möge es so bleiben, wenn sich Pastor W. Pellenz in wenigen Monaten von Gevenich verabschiedet.


Die Fenster- und Türrahmen aus dunklem Basalt (Mayener Stän) unterstreichen die strenge Gliederung wie die der Zeit entsprechende Aufteilung der Fenster in 6 Rauten, während die Gliederung in 3 Scheiben im Anbau aus der 2. Hälfte des 19. Jh. stammt.
Foto: Maria Fischer